Starke Chronische Schmerzen
NEUROLOGIE
Starke chronische Schmerzen

Chronische Schmerzen treten häufig auf – statistisch gesehen ist jeder 5. Erwachsene in Europa davon betroffen.


 


Eine starke Belastung für Patienten


In Deutschland leiden mehrere Millionen Menschen an chronischen Schmerzerkrankungen, zu denen die unterschiedlichsten Schmerzarten gehören: Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Nervenschmerzen, aber auch Tumorschmerzen.


Intensität und Häufigkeit der Schmerzepisoden können so deutlich ausgeprägt sein, dass sie Alltag und Lebensqualität der Patienten teils stark beeinträchtigen. Chronische Schmerzen haben zahlreiche negative Auswirkungen auf die Betroffenen – darunter Schlaflosigkeit, verringerte Aktivität und Aufmerksamkeit, gedämpfte Stimmung, Frustration und Traurigkeit. Entsprechend beeinflussen Chronische Schmerzen die Beziehungen zu Familie und Freunden [1].


Chronischer Tumorschmerz


Weltweit steigt die Prävalenz von Krebs und dementsprechend die Zahl der Patienten, die dank der therapeutischen Erfolge der modernen Onkologie ihren Krebs über viele Jahre hinweg überleben. Eines der häufigsten Begleitsymptome von Krebs ist chronischer Schmerz, verursacht durch den Tumor oder die Krebsbehandlung [1]: Zwischen 33% und 40% der Krebsüberlebenden, d. h. Personen mit Krebs, deren kurative Behandlung abgeschlossen ist, leiden an chronischen Schmerzen [1-3].


Klassifizierung der Schmerzen


Während der akute Schmerz ein Alarmsignal des Körpers ist, handelt es sich bei wiederkehrenden oder über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten anhaltenden Schmerzen um chronische Schmerzen. Im Rahmen der Diagnose wird abgeklärt, welchen Ursprung die chronischen Schmerzen haben und ob es sich um neuropathischen, nozizeptiven, noziplastischen oder gemischten Schmerz handelt.


Um Häufigkeit, Dauer, Art und Intensität der Schmerzen zu ermitteln, kann der behandelnde Arzt z. B. auf ein Schmerztagebuch, eine Schmerzintensitätsskala oder spezifische Fragebögen zurückgreifen (z. B. DN4 zur Identifizierung neuropathischer Schmerzen).


Schmerzbehandlung anhand der Schmerzintensität


Je nach diagnostizierter Schmerzintensität fällt die Behandlung unterschiedlich aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die dreistufige analgetische Leiter als Rahmen für den rationellen Einsatz von Schmerzmitteln zur Behandlung von Krebsschmerzen nach Intensität der Schmerzen entwickelt. Häufig wird das WHO-Stufenschema allerdings als Leitfaden für die Behandlung von nicht-tumor bedingten chronischen Schmerzen verwendet [5].


Der Einsatz interventioneller Verfahren wird häufig empfohlen, wenn weniger invasive, vor allem systemische pharmakologische Therapien aufgrund unzureichender Analgesie oder unerträglicher Nebenwirkungen wirkungslos sind. Invasive Verfahren sollten in jedem Stadium als Ergänzung zu herkömmlichen Analgetika angesehen werden und nicht als sog. 4. Stufe oder als "letzter Ausweg" betrachtet werden.


Zusätzlich zur medikamentösen Therapie gibt es zahlreiche andere therapeutische Methoden, etwa Krankengymnastik, Massagen, Bewegung, Gewichtsreduktion, Entspannung, Stressbewältigung und vieles mehr, welche zusammen ein ganzheitliches, multimodales Konzept der Behandlung chronischer Schmerzen darstellen.


Therapie von Starken Chronischen Schmerzen


Ebenso wie Nervenblockaden, Interventionen im Epiduralraum, patientengesteuerte Analgesie (PCA) und Rückenmarkstimulation (SCS) über elektrische Impulse reiht sich die intrathekale dauerhafte Analgesie (ITA) in die Schmerztherapie der Stufe der invasiven, neuromodulierenden Verfahren ein. Zugelassen für die intrathekale Schmerztherapie sind lediglich ein Opioid und eine nicht-opioide Alternative. Letztere wird als Erstlinien-Therapie bei Nicht-Tumor-bedingten chronischen Schmerzen empfohlen (einschließlich Patienten mit Krebs in teilweiser Remission oder geheilt, mit bleibenden chronischen Schmerzen) [6], unabhängig davon, ob der Schmerztyp nozizeptiv oder neuropathischen Ursprungs ist. Als gleichwertig mit der opioiden Alternative wird die intrathekale nicht-opioide Behandlung Tumor-bedingter chronischer Schmerzen angesehen bei Patienten mit relativ kurzer Lebenserwartung sowie stabiler oder verlangsamter Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens oder Fortschreitens [6].


Ein großer Vorteil der ITA ist, dass die Dosierung der Schmerzmittel wesentlich geringer ausfallen kann als bei anderen Therapieformen wie der Einnahme von Tabletten oder über die Haut durch Pflaster. Das intrathekal verabreichte Medikament wirkt genau dort, wo es seine Wirkung entfalten soll. Es muss nicht erst über Umwege im Körper zum Wirkungsort gelangen. Durch die geringeren Dosierungen des Wirkstoffs können Nebenwirkungen verringert und gleichzeitig die Schmerzlinderung verbessert werden. Eine neurologische, psychiatrische und psychologische Evaluierung sowie die sozioökonomische Situation des Patienten sind stets zu klären.


Die intrathekale Schmerztherapie wird nach dem aktuellen Stand der Forschung längst nicht mehr als letzte Option bei der Schmerztherapie angesehen. Ihr Hauptvorteil liegt in der Möglichkeit einer komplexen und angemessenen Schmerzkontrolle, wodurch eine deutlich bessere Lebensqualität erreicht werden kann [9].


Referenzen


[1] Societal Impact of pain, https://www.sip-platform.eu/de, 2019.


[2] Breivik, H., The individual and societal burden of chronic pain: economic. 2013.


[3] Bennett, M.I., et al., Standards for the management of cancer-related pain across Europe-A position paper from the EFIC Task Force on Cancer Pain. Eur J Pain, 2019. 23(4): p. 660-668.


[4] IASP, https://www.iasp-pain.org/Education/Content.aspx?ItemNumber=1698, 2019.


[5] Eisenberg, E., et al., Time to modify the WHO analgesic ladder. Pain Clinical Updates, 2005. 13.


[6] Deer, T.R., et al., The Polyanalgesic Consensus Conference (PACC): Recommendations on Intrathecal Drug Infusion Systems Best Practices and Guidelines. Neuromodulation, 2017. 20(2): p. 96-132.


[7] Fisher, R., et al., A consensus statement regarding the present suggested titration for prialt (ziconotide). Neuromodulation, 2005. 8(3): p. 153-4.


[8] Prager, J., et al., Best practices for intrathecal drug delivery for pain. Neuromodulation, 2014. 17(4): p. 354-72; discussion 372.


[9] Backryd, E., Do the potential benefits outweigh the risks? An update on the use of ziconotide in clinical practice. Eur J Pain, 2018. 22(7): p. 1193-1202.