Tuberkulose
SCHÄTZUNGSWEISE 23% DER WELTBEVÖLKERUNG IST INFIZIERT [1]
Tuberkulose

Tuberkulose (TB) zählt zu den 10 Haupt-Todesursachen weltweit und gilt als die führende Todesursache durch einen einzigen Infektionserreger.


 


Im Jahr 2019 verzeichnete die WHO 10 Millionen Neuerkrankungen (davon 56% Männer, 32% Frauen, 12% Kinder (<15 Jahren)) und 1,2 Millionen Todesfälle. Somit ist die Tuberkulose noch vor HIV/AIDS die Infektionskrankheit, die weltweit die meisten Todesopfer fordert. [2]


Schätzungsweise trägt 23% der Weltbevölkerung das Mycobacterium tuberculosis in sich, ohne dass sich Symptome zeigen, da das Immunsystem die Vermehrung der Bakterien unterdrückt (latente Infektion). [1] Bei ca. 5 - 10% dieser Bevölkerungsgruppe wird sich im Laufe des Lebens eine behandlungsbedürftige Tuberkulose entwickeln. [3]


Abb. 1: Geschätzte weltweite Tuberkulose-Inzidenz pro 100.000 Einwohner (2019). Mod. nach Global tuberculosis report 2020.

Situation der Tuberkulose in Deutschland


Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 4791 Tuberkulosefälle registriert. Die Inzidenz bei männlichen Personen betrug 7,6 pro 100.000 Einwohner in Deutschland und war damit fast doppelt so hoch wie bei weiblichen Personen (Inzidenz 4,0). 2019 erkrankten laut Robert-Koch-Institut (RKI) auch 196 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren an einer Tuberkulose, entsprechend einer Inzidenz von 1,7 Fälle pro 100.000 Kinder.


Der krankheitsbedingte Tod an einer Tuberkulose wurde in 2019 in 129 Fällen registriert. Dies entspricht einer Mortalität von 0,2 Todesfällen pro 100.000 Einwohner. Die Letalität lag bei 2,8 %.[4]


Infektionsweg via Tröpfchen


Eine Infektion mit dem Bakterium erfolgt in der Regel durch Kontakt zu einem Menschen, der an einer offenen Lungentuberkulose erkrankt ist. Die Infektion erfolgt durch feinste Tröpfchen in der ausgeatmeten Luft, besonders bei Husten oder Niesen.[5]


Ob es nach der Exposition auch zu einer Infektion kommt, hängt von folgenden Faktoren ab[5]:


• Häufigkeit, Dauer und Enge des Kontakts mit einer an aktiver Tuberkulose erkrankten Person


• Menge und Virulenz der inhalierten Erreger


• Empfänglichkeit der exponierten Person


In Abbildung 2 ist veranschaulicht, in wie vielen Fällen es zu einer aktiven Tuberkulose kommen kann:


Abb. 2: Mögliche Verlaufsformen der TB nach Kontakt zu TB-Bakterien mod. nach Schaberg et al. 2017

Unspezifische Symptome


Bei einer ansonsten ungeklärten Diagnose können die folgenden unspezifischen Symptome auf eine Tuberkulose hinweisen und sind deshalb im Zuge der Anamnese zu berücksichtigen.5


• Husten mit oder ohne Auswurf (in seltenen Fällen blutig)


• Einschränkung des Allgemeinbefindens


• Appetitverlust


• Gewichtsabnahme


• subfebrile Körpertemperatur


• vermehrtes Schwitzen (besonders nachts)


• Müdigkeit und allgemeine Schwäche oder Zeichen ähnlich denen eines grippalen Infektes


Erkrankte Kinder sind in über der Hälfte der Fälle asymptomatisch oder fallen nur durch eine verzögerte Entwicklung auf.[5]


Resistente Mycobakterien machen Therapie immer schwieriger


In den vergangenen 20 Jahren hat sich die resistente Tuberkulose weltweit erheblich ausgebreitet, wodurch erheblich höhere Anforderungen an Diagnose und Therapie bestehen.


Resistenzen bestehen gegen einen oder mehrere Wirkstoffe:[4]


Jegliche Resistenz: Resistenz gegen mindestens eines der Erstlinienmedikamente (siehe unten)


Multiresistenz (multidrug-resistant tuberculosis, MDR-TB): gleichzeitige Resistenz gegen Isoniazid und Rifampicin sowie ggf. gegen weitere Antituberkulotika


Polyresistenz: Resistenz gegen mindestens zwei Antituberkulotika (außer der Resistenz unter 2.)


Extensive Resistenz (XDR-TB): gleichzeitige Resistenz gegen Isoniazid und Rifampizin (MDR-TB s.o.) sowie zusätzlich weitere Resistenzen gegenüber mindestens einem Fluorchinolon und gegen mindestens eines der drei injizierbaren Zweitlinienmedikamente (Amikazin, Kanamycin, Capreomycin).


Kombinationstherapie ist essenziell


Die Chemotherapie der Tuberkulose ist immer eine Kombinationstherapie und notwendig, um die Entwicklung von bakteriellen Resistenzen und Rezidiven zu vermeiden.


Wichtig ist, dass sofort eine Intensivtherapie mit stark wirkenden Mitteln begonnen wird, um das Risiko von resistenten Mutanten, hämatogener Aussaat und die Infektionsgefahr zu senken.


In der Tuberkulosetherapie stehen sogenannte Erst- und Zweitlinienmedikamente zur Verfügung.


Die Wirkung der Erstlinienmedikamente


  • Isoniazid (H)
    Isoniazid wirkt grundsätzlich sowohl gegen intra- als auch gegen extrazellulär gelegene Keime. Am besten ist seine Wirkung jedoch auf proliferierende extrazelluläre Keime.
  • Rifampicin (R)
    Rifampicin wirkt grundsätzlich sowohl gegen intra- als auch gegen extrazellulär gelegene Keime. Es wirkt am besten im neutralen oder alkalischen extrazellulären Milieu, weniger gut jedoch im sauren intrazellulären Milieu der Makrophagen oder dem käsigen Gewebe.
  • Pyrazinamid (Z)
    Pyrazinamid besitzt im sauren pH-Bereich eine gute bakterizide Wirkung, insbesondere auf langsam wachsende Tuberkuloseerreger und intrazelluläre Mykobakterien, die in Makrophagen persistieren.
  • Ethambutol (E)
    Ethambutol wirkt auf extrazelluläre und wie Pyrazinamid auf intrazelluläre, d. h. in Makrophagen gelegene Mykobakterien. Ethambutol hat die Eigenschaft, sich in Makrophagen stark anzureichern. Die intrazelluläre Konzentration beträgt das 7-Fache der extrazellulären Konzentration.

Bei vollständiger Sensitivität des Erregerstammes erfolgt die Therapie der pulmonalen Tuberkulose bei erwachsenen Patienten mit den vier kombinierten Erstlinienwirkstoffen Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol, nach einem festgelegten Schema über insgesamt 6 Monate.[3]


Abb. 3: Kombinationstherapie der sensiblen Tuberkulose. Mod. nach Schaberg et al., 2017

Klassifizierung der Zweitlinienmedikamente in der multiresistenten (MDR)-TB-Therapie gemäß WHO


Zweitlinienmedikamente werden nur bei einer Resistenz des Tuberkuloseerregers gegen Erstlinienwirkstoffe eingesetzt oder wenn der Patient Unverträglichkeiten gegen Erstlinienwirkstoffe hat. Eine Resistenz oder Unverträglichkeit gegen Erstlinienmedikamente macht den Einsatz von Zweitlinienmedikamenten erforderlich und führt in jedem Fall zu einer deutlich längeren Therapie (18–20 Monate oder in Einzelfällen sogar länger).[6]


Die Zweitlinienmedikamente in der Langzeittherapie der MDR-TB werden gemäß der WHO wie folgt klassifiziert:[6]


Gruppe A

  • Levofloxacin oder Moxifloxacin
  • Bedaquilin
  • Linezolid

Gruppe B

  • Clofazimin
  • Cycloserin oder Terizidon

Gruppe C

  • Ethambutol
  • Delamanid
  • Pyrazinamid
  • Imipenem-cilastatin oder Meropenem
  • Amikacin (oder Streptomycin)
  • Ethionamid oder Protionamid
  • Paraaminosalicylsäure (PAS)


Gemäß der Angaben der WHO sollte die Langzeittherapie der MDR-TB oder Rifampicin-resistenten TB (RR-TB) aus einer Kombination von mindestens vier Wirkstoffen bestehen: alle drei Wirkstoffe der Gruppe A und mindestens ein Wirkstoff der Gruppe B. Falls nur ein oder zwei Wirkstoffe der Gruppe A eingesetzt werden können, müssen beide Wirkstoffe der Gruppe B zusätzlich eingesetzt werden. Falls eine Kombinationstherapie nicht aus einer ausreichenden Anzahl von Wirkstoffen der Gruppen A und B möglich ist, können Wirkstoffe aus der Gruppe C herangezogen werden. Die Therapiedauer beträgt 18–20 Monate oder länger und kann je nach Therapieantwort individuell angepasst werden.[6]


Referenzen


[1] WHO Global Tuberculosis Report 2018.


[2] WHO Global Tuberculosis Report 2020.


[3] Schaberg et al., S2k-Leitlinie: Tuberkulose im Erwachsenenalter. Pneumologie 2017; 71: 325-397.


[4] RKI, Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2019.


[5] RKI-Ratgeber Tuberkulose 2013.


[6] WHO consolidated guidelines on drug tuberculosis, Module 4: Treatment, Drug-resistant tuberculosis treatment 2020.